Konzept

Die Ausstellung artVERWANDT Mutter, ist das Kunst? zeigt Arbeiten von Künstlerinnen und ihren ebenfalls im Kunstbetrieb tätigen Töchtern. Im Dialog wird der künstlerischen Entwicklung und gegenseitigen Beeinflussung auf den Grund gegangen.

Die Idee zu diesem Projekt entstand in den letzten Jahren. Wir: Veronika Merl, Monika Migl-Frühling, Helga Schager, Elfriede Ruprecht-Porod arbeiteten bereits gemeinsam an einigen Projekten, wie Startschuss (2003), Stifter der Ordner halber (2005), Helden (2005), United Fruit (2008) und in keinster weise nachhaltig verortet (2009).
Es war für uns selbstverständlich, unsere Töchter direkt oder indirekt in diese Projekte miteinzubeziehen, denn sie haben sich ebenfalls für die Kunst als Beruf entschieden.



Dieser Umstand wirft natürlich die interessante Frage der gegenseitigen Beeinflussung in der künstlerischen Entwicklung auf. Wir fanden diese Frage sehr spannend und möchten diesem Thema bei einer gemeinsamen Ausstellung auf den Grund gehen. 
In der Planungsphase stellten wir fest, dass es über diese Konstellation so gut wie keine Informationen gibt. Die familiäre Künstlerinnendichte unseres Falles war zufällig und ist selten.
Die Kinder von Künstlerinnen machen spezifische Kindheitserfahrungen und wachsen manchmal unter besonderen Bedingungen auf. Ihre Kindheit entspricht nicht immer der kulturellen Norm, sie ist manchmal ein wenig anders, abseits der so genannten Normalität. Dieser Aspekt bekommt eine besondere Bedeutung, wenn diese Kinder selbst Künstlerinnen werden.

"Der künstlerische Genius , der kreative Impetus – die beiden werden gerne weitergegeben. Viele Jahrhunderte lang  geschah das in erster Linie vom Vater auf den Sohn – in manchen, ganz speziellen Fällen und nur dann, wenn kein Sohn verfügbar war, wurden sie auch auf die Tochter übertragen – im Fall von Artemisia Gentileschi etwa. Die malte dann Bilder wie „Judith enthauptet Holofernes.“
Dass Impetus und Genius so selten an Frauen übertragen wurden, liegt naturgemäß auch daran, dass Frauen so selten „Künstlerin“ als Beruf angaben. Noch im ausklingenden 19. Jahrhundert war es schier undenkbar, dass Künstlerinnen wie Camille Claudel als Beruf „Bildhauerin“ angab. Das war männlichen Kollegen wie Auguste Rodin vorbehalten, Frauen durften männliche Künstler wie ihn höchstens bewundern oder ihnen zuarbeiten. Über Camille Claudel hieß es – und das war als positive Kritik über ihre einzige Einzelausstellung im Jahr 1905 gemeint – Mademoiselle Claudel ist tatsächlich weniger eine Frau als eine Künstlerin – eine große Künstlerin.“ Beides  - Frau und Künstlerin zu sein – das ging offenbar nicht. 
Wie ist das heute, über 70 Jahre nach dem Tod von Camille Claudel  - sie starb im Übrigen 1943 in einer Irrenanstalt. Keine Frage, dass Frauen als Beruf Künstlerin angeben dürfen, sie dürfen Kunstuniversitäten besuchen, sie dürfen sich den genau gleichen prekären Arbeitsbedingungen aussetzen wie Männer – und natürlich dürfen sie Frau bleiben, dürfen auch Kinder bekommen, ohne dass sie deshalb ihren Beruf – Künstlerin nämlich- aufgeben müssen.

Dieser Rückblick und dieses Festhalten eines zumindest in der Theorie funktionierenden Status Quo - erscheinen mir deshalb wichtig, weil wir es hier nicht nur mit einer generationsübergreifenden Ausstellung zu tun haben und nicht allein mit einer Ausstellung, an der nur Frauen beteiligt sind. Die Geschichte von Frauen als Künstlerinnen ist noch nicht besonders alt – obwohl sie natürlich älter und detaillierter wäre, wären nicht so viele Lebensgeschichten von künstlerisch tätigen Frauen einfach verschwiegen worden sondern ebenso wie jene männlichen Karrieren schriftlich für die Nachwelt festgehalten worden. Sie ist also vielleicht ebenso alt wie jene des Mannes als künstlerisch tätiger Mensch, aber noch lange nicht so selbstverständlich. Das Thema Mütter und Töchter  -  beide in der Kunst tätig – ist demzufolge noch viel jünger. 

Das zeigen nicht zuletzt Ausstellungen wie diese, in denen die verwandtschaftliche Beziehung auch eine künstlerische ist. Mutter, ist das Kunst? heißt es schließlich im Untertitel, eine Frage, die auch deutlich macht, wie wichtig uns letztendlich Kritik und Auseinandersetzung besonders im familiären Umfeld ist. Wie abhängig wir sowohl als Mütter als auch als Töchter sind davon, wer erkennt, dass das woran wir gerade arbeiten Kunst ist. Nicht als Hobby, nicht als Zeitvertreib, nicht als Zulieferungsarbeit für den männlichen Künstler an unserer Seite, sondern als eigenständiger, sichtbarer, besprochener und beschriebener Bestandteil zu einer Geschichte der zeitgenössischen Kunst, der nicht mehr verschwiegen wird, nicht mehr verschwiegen werden kann, auch weil es eine nächste Generation gibt. Die sich einerseits nicht hat abschrecken lassen vom brotlosen Kunstgeschäft, vom ewigen Zweifel an sich, an den vielen Verortungen und der Angst davor, keiner davon je ganz gerecht zu werden: ob als Künstlerin und als Mutter. Eine Generation, die allerdings auch gelernt hat und bereit ist, sich mit neuen Strategien dem auszusetzen, was oft genug in der eigenen Kindheit als belastend angesehen wurde. Es sind viele dieser Themen, manche davon zum ersten Mal seit Jahren, ungefiltert auf den Tisch gekommen, habe ich erfahren. Themen, die oftmals bereits in eigenständige Arbeiten eingeflossen sind, Themen die als verarbeitet galten. Mit dieser Ausstellung stellen sich die teilnehmenden Künstlerinnen also nicht nur dar, sie stellen sich einem durchaus auch kritisch, und vor allem ehrlich geführten Dialog."

Text von Wiltrud Katharina Hackl zur Eröffnung der Ausstellung in Obermühl